|
Anlässlich der Ausstellung erscheint im Neisse Verlag, Dresden, die erste
umfassende (deutsch-polnische) Monographie »Hubert Globisch 1914-2004
Malerei – Vom Lauf der Flüsse« mit Geleitworten von Matthias Platzeck,
Radek Gawlik und Alfons Nossol, Essays von Olga Tokarczuk, Uwe Rada,
Ulrike Draesner, Jürgen Israel und Andreas Hüneke, Lyrik von Filip Zawada,
Hans Niekrawietz, Róža Domašcyna, Barbara Köhler, Agnieszka Wolny-Hamkało,
Tomasz Różycki, Janusz Wójcik und Urszula Koziol, einer umfangreichen
Biogra-
phie und einem Werkverzeichnis der Malerei.
Buchinhalt
Hubert Globisch kannte das Land Brandenburg so genau wie die
polnische Oderseite, wo
er im oberschlesischen Neustadt (heute Prudnik,
Landkreis Opole) fünf ihn prägende
Kindheitsjahre verbrachte, und wohin
ihn spätere Reisen auch immer wieder führen sollten. Die vorliegende
deutsch-polnische Monographie nähert sich dem Leben und Werk von Hubert Globisch auf sehr komplexe Weise. Die inhaltliche und formale Beziehung
von Bild, Poem, Essay und Information ist dem »Lauf der Flüsse«, der an-
und abschwellenden Vielgestalt, verpflichtet. Die Autoren suggerieren und
philosophieren, sie reflektieren, analysieren und – sie inventarisieren
auch. Sie sprechen von der Oder, von ihrem
Fließen, Rinnen und Strömen,
von der Oder als Lebewesen, das Orientierung wie Verfüh-
rung sein kann, das
zu Kompromissen bereit ist, solange die Menschen das Maß des Le-
bens
wahren. Sie sprechen auch von der Kindheit am Fluss, vom Geprägtwerden und
Zurückfinden, von Erinnerung und Vergessen, wobei das Alter seine eigenen
Fragen stellt. Natürlich geht es in den Texten um die Flut – um dieses
Aufbegehren der Natur als welt-
liche Katastrophe wie als apokalyptische
Botschaft. Im Zentrum des Buches steht die
umfangreichste Werkreihe des
Malers, die er der Oderflut des Jahres 1997 gewidmet hat.
Die Publikation,
herausgegeben von Thomas Michael Kumlehn im Auftrag des Potsdamer
Kunstvereins e.V. und des Potsdam-Museums, kostet 24 € / 60 zł .
Vorwort des Herausgebers
Am 3. April 2004, mit neunzig Jahren, verstarb der Potsdamer Maler Hubert
Globisch. Wenig später beschloss seine Witwe, die Künstlerin Suse
Globisch-Ahlgrimm, den Nachlass ihres Mannes dem Potsdamer Kunstverein
e.V. treuhänderisch zu übergeben. Seither wurde das malerische Werk von
Hubert Globisch in Form eines Werkverzeichnisses erschlossen und auf
dieser Grundlage eine sieben Stationen umfassende deutsch-polnische
Wanderausstellung vorbereitet, die von der vorliegenden zweisprachigen
Monographie begleitet wird.
Die Ausstellung »Vom Lauf der Flüsse« wird westlich und östlich der Oder
von Museen, Galerien und Kunstvereinen gezeigt, für deren engagierte
Kooperation wir sehr dankbar sind.
Die Ausstellungstour beginnt am 9. Mai 2007 in Oppeln, führt über
Eisenhüttenstadt, Frankfurt/Oder, Słubice, Müncheberg und Brieg. Sie endet
am 27. Januar 2008 in Glogau.
Im Zentrum der Präsentation steht die umfangreichste, zusammenhängende
Werkgruppe des Künstlers, die sich in 27 Bildern der Oderflut des Jahres
1997 widmet. Für Hubert Globisch war die Landschaft der Mark, ihre karge
Schönheit ein Leben lang Passion. Malen hieß bewahren. Malen hieß auch,
die Wunden zu zeigen. Dem Wasser – als Naturelement und Lebenselixier –
fühlte er sich in besonderer Weise verbunden. Es prägt als Thema sein
Gesamtwerk. Den Höhepunkt dieser Auseinandersetzung bildet zweifelsohne
der Zyklus »Oderflut«(1997/98). Hier kollidieren die Faszination der
elementaren Urkraft und das apokalyptische Entsetzen. Globisch kannte das
Land Brandenburg so genau wie die polnische Oderseite, wo er im
oberschlesischen Neustadt (Prudnik, Landkreis Oppeln) fünf ihn prägende
Kindheitsjahre verbrachte, und wohin ihn spätere Reisen auch immer wieder
führen sollten.
Während der Naturkatastrophe 1997, die Globisch in der erwähnten
Bilderfolge so intensiv reflektierte, war er nie vor Ort. Es existieren
keinerlei Skizzen vom unmittelbaren Geschehen, die ihm ansonsten zur
Vorbereitung seiner Bilder dienten. Statt dessen notierte er anfangs
täglich seine zunehmende Unruhe im Kalender. Neben der Wetterlage und
gewöhnlichen Verrichtungen findet sich am 19. Juli 1997 ein erster
Hinweis: »Große Not wg. Überschwemmung in Polen/Oder und Tschechien 98
Tote.« Am 21. Juli sieht er die ersten Fernsehbilder, die ihn
»erschrecken«. Am 24. Juli sieht er die gebrochenen Deiche, drei Tage
später »Erste Bildanfänge«. In den folgenden Tagen beschäftigt er sich
»viel mit dem Oderbruch«. So lautet auch der erste Titel der entstehenden
Folge, die Bild für »Bild im Kopf gewälzt« (28.7.) wird, bevor er zu
Ölfarbe und Pinsel greift. Und immer wieder die »Oder, Oder, Oder!«
(30.7.) »hält uns dauernd fest« (31.7.). »Verzweifelte Versuche, die
Deiche zu halten«, so der Maler am 1. August. Seine Frau, Suse
Globisch-Ahlgrimm, malt, ist aber hauptsächlich mit dem Videogerät
beschäftigt, um die Fernsehreportagen aufzunehmen und zu schneiden. Auch
Fotos aus der Tagespresse finden sich im Nachlass. Am 3. August heißt es:
»Seit Tagen Bilder im Kopf Oder! Läuft gut an. Geht der Weg??« Am nächsten
Tag werden »Sachen und Kleidung für Oderbruch-Geschädigte rausgesucht und
verpackt, abends zum Bestimmungsort Luisenplatz gebracht... Kein LKW zu
sehen! Vorgesehene Firma...hat kein Telefon. Nimmt auch Geldspenden an
ohne Spendenquittung!!! Verdacht?! Ein seltsames Durcheinander« bleibt
auch am folgenden Tag. Der 9. August bringt – für den Maler – die erste
Erleichterung im Atelier: »...gemalt Oder II abgeschlossen!« Am 15. August
»noch immer die Oder im Mittelpunkt«. Und das sollte sie auch bleiben bis
weit in das Jahr 1998 hinein.
Die vorliegende Monographie nähert sich dem Leben und Werk von Hubert
Globisch auf sehr komplexe Weise. Die inhaltliche und formale Beziehung
von Bild, Poem, Essay und Information ist dem »Lauf der Flüsse«, der an-
und abschwellenden Vielgestalt, verpflichtet. Die Autoren suggerieren und
philosophieren, sie reflektieren, analysieren und – sie inventarisieren
auch. Sie sprechen von der Oder, von ihrem Fließen, Rinnen und Strömen,
von der Oder als Lebewesen, das Orientierung wie Verführung sein kann, das
zu Kompromissen bereit ist, solange die Menschen das Maß des Lebens
wahren. Sie sprechen auch von der Kindheit am Fluss, vom Geprägtwerden und
Zurückfinden, von Erinnerung und Vergessen, wobei das Alter seine eigenen
Fragen stellt. Natürlich geht es in den Texten um die Flut – um dieses
Aufbegehren der Natur als weltliche Katastrophe wie als apokalyptische
Botschaft.
Ein Zeugnis haben wir unmittelbar vor Augen: die »Oderflut« von Hubert
Globisch. Die Befragung seiner Bilder erfolgt poetisch und analytisch, es
wird über und mit den Bildern gesprochen, künstlerische Entwicklungslinien
werden aufgezeigt und der Zyklus im Gesamtwerk positioniert. Einigen
Autoren gelingt es sogar, uns zum anschaulichen Denken zu animieren. Das
Denken in Bildern aber ist die notwendige Voraussetzung dafür, um im Sinne
des Malers zu sprechen, sich dem »Unsichtbaren im Sichtbaren«, das heißt
der Substanz zu nähern. Denn die potentiellen Formen des Elementaren
bleiben dem alltäglichen Sehen verborgen. Es ist die Stille, aus der seine
Bilder ihre Intensität gewinnen. Um die Essenz des Natürlichen zu
bewahren, verschrieb sich Hubert Globisch einst der Malerei, mittels derer
er auch zu so brisanten Themen, wie Stadtgeschichte, Stadtgestaltung und
Umweltschutz, Stellung bezog.
Hubert Globisch war ein sehr bescheidener Mann, ein scheuer, zurückgezogen
lebender Einzelgänger. Ihm missfiel das Klima der Öffentlichkeit. Seine
Existenz verstand er – als Maler (seit 1945) und als Kunstpädagoge (seit
1958) – jenseits äußerer Zugriffe und Erwartungen. Engen Freunden aber war
er stets zugetan, wie er auch auf seine Schüler vertraute, in deren
Erinnerung Globischs einfühlsame Lehrtätigkeit zur Legende wurde. Docendo
discere (lehrend lernen) hieß sein Credo.
Die wenigen, bisher veröffentlichten Anhaltspunkte zu seinem Leben und
Wirken wurden anhand neu erschlossenen Materials vielfach ergänzt und
erweitert. So bieten Biographie, Bibliographie und Werkverzeichnis eine
profunde Arbeitsgrundlage, um sich den zahlreichen, noch offenen Fragen
zuzuwenden und ein nachhaltiges Interesse für die Bilder und ihren Maler
zu wecken – ein gerechtfertigtes Interesse an Hubert Globisch weit über
die Stadt Potsdam und über das Jetzt hinaus. |